Geschichte

Kleingießhübel

Malerisch auf einer Hochfläche über dem Krippental, am Fuße des kleinen Zschirnsteins, liegt Kleingießhübel. Seit 1973 ist es ein Ortsteil der Gemeinde Reinhardtsdorf – Schöna. Wie schützend erhebt sich der kleine Zschirnstein über das Dorf, das ringsum von ausgedehnten Wäldern umgeben ist.

Die erste urkundliche Erwähnung fand der Ort im Jahre 1379 als „Gizobel“. Das war noch unter der böhmischen Herrschaft. Bergleute, wahrscheinlich aus Berggießhübel kommend, hatten das Dorf gegründet und verhütteten das am Zschirnstein gefundene Brauneisenerz.
1412 lautete der Ortsname „czum Gyßhöbel“, 1482 „ zu dem Gushobel under dem Zeyrenstein“ und 1510 „ zum kleinen Gießhübel“. Irgendwann war die Eisenproduktion unrentabel geworden, so dass man sich nur noch der Landwirtschaft widmete.

Im Mittelalter lag Kleingießhübel an einer wichtigen Verkehrsverbindung, der „Alten Tetschner Straße“. Heute heißt diese Wiesenweg. Sie verband Pirna sowie die Grenzburg Königstein über Tetschen und Aussig mit Prag.

Für das Fuhrwesen vergangener Tage war das ständige Schmieren der an den Wagen vorhandenen hölzernen Achsen unerlässlich. Die dazu benötigte Wagenschmiere, ein Teerprodukt, wurde in den Wäldern um Kleingießhübel aus Holz in einfachen Anlagen hergestellt. Diese sogenannten Pechöfen waren zu Beginn des 19. Jh. noch im Betrieb. Die Reste dieser Öfen und der dazugehörigen kleinen Siedlung sind interessante Zeugen der Produktionsgeschichte. Sie unterliegen als Bodendenkmale besonderem Schutz.

(Quelle: https://www.reinhardtsdorf-schoena.de/ortsinfo/kleingiesshuebel.html)



Das Erblehngericht zu Kleingießhübel
nach einer Dokumentation von Max Stenzel und Werner Kaufmann

Die Erblehngerichte entstanden im späten Mittelalter. Ein Landgut eines Amtsdorfes war vom Landesherrn (Lehnsherrn) mit Lehen ausgestattet. Diese bestanden aus besonderen Vorrechten gegenüber der Dorfgemeinde und waren mit der Verpflichtung der Ausübung des Richteramts belegt. Die Lehen waren fest an das Gut gebunden und mit dem Gut vererbbar. All diese Merkmale führten zur Bezeichnung „Erblehngericht“ oder auch „Richtergut“.

Die Erblehngerichte hatten u.a. die Berechtigung, Bier und Branntwein zu schenken, zu backen und zu schlachten. Auch waren sie meist mit der niederen Jagd der gesamten Dorfflur beliehen. Von Steuern, Frondiensten und Einquartierungen waren sie befreit. Der jeweilige Gutsbesitzer hatte die Verwaltung der Dorfgemeinde auszuführen und übte mit zwei Gerichtsschöffen die niedere Gerichtsbarkeit aus. Die Strafgewalt umfasste Gefängnis, Pranger und Halseisen, Geldstrafen bis zu 4 neuen Schock oder 10 Talern und Landesverweisung. Da die Gefängnisstrafen nichts einbrachten, wurden sie gern in Geldstrafen umgewandelt (für jeden Tag Gefängnis 10 Groschen Geldbuße oder 3 Tage Handarbeit).

Starb der Gutsbesitzer, so ging das Richtergut an seinen ältesten männlichen Leibeserben über. Starb er ohne männlichen Leibeserben, so musste das Gut verkauft werden. Als Käufer kamen nur dafür geeignete Personen infrage.

Diese Verhältnisse bestanden bis zur Einführung der Gemeindeverfassung im Jahre 1839.
Im späten Mittelalter gehörte Kleingießhübel zur kurfürstlichen Pflege Königstein. Um 1400 trat der Richter von „Gishobel“ das Amt als Förster in Königstein an und ist 30 Jahre daselbst Förster gewesen.
Über das Erblehngericht, auch Richtergut zu Kleingießhübel (Grundstück Nr. 1) wird 1848 gesagt, dass es ein Jagdlehn sei und die Hälfte der ganzen Ortsflur, mit Feld und Wald, besäße (1 Hufe von insg. 2 Hufen). Dazu gehörte auch eine Sandgrube. Das Richtergut darf Königsteiner und Pirnaer Bier schenken sowie Branntwein brennen und schenken.

Dem jeweiligen Gutsbesitzer oblag die Verwaltung des anfangs noch sehr kleinen Amtsdorfes sowie die niedere Gerichtsbarkeit. Als Richter besaß er ansehnliche Machtbefugnisse und war von den Gemeindelasten befreit.

1548 ist Lorenz Zirnstein Besitzer des Richterguts. Er schätzt sein „Freygerichte zu Gießhüblichen“ auf 40 Schock. Kleingießhübel besteht zu dieser Zeit aus nur acht „Ansässigen“ (Bauerngüter mit Familien).
1622 wird Thomas Hoesell als Gutsbesitzer genannt. Er verkaufte das Richtergut an seinen Schwiegersohn Hans Hering.
1634 wechselt das Richtergut wieder den Besitzer.
1681 wird auf der Reinhardtsdorfer Kirchentafel Heinrich Matthias Fischer als Richter in Kleingießhübel angeführt.
Von 1760 bis 1849 hatten Füssel, Vater und Sohn, das Richtergut im Besitz und behaupteten ihre Erblehnrechte gegenüber der Dorfgemeinde. Diese hatte sich um 1840 auf 28 Ansässige (Guts- und Wohnhäuser) mit 246 Einwohnern vergrößert.

Unter dem Sohn Füssel brannte das Wohnhaus des Richterguts völlig ab. Füssel ließ es 1820 wieder aufbauen. Laut Kataster vom Jahre 1833 umfaßt das Richtergut nun folgende Gebäude:
Hauptbestandteil ist das Wohnhaus. Es besteht im Parterre im vorderen Bereich aus einer großen Stube, einer Küche und einer Speisekammer und im hinteren Bereich aus einem gewölbten Zuchtviehstall. Eine steinerne Treppe führt in die Wohnetage mit einer Stube und acht Kammern. Darüber befinden sich zwei Böden. Das Dach ist doppelt mit Ziegeln gedeckt. Das Seitengebäude neben dem Wohnhaus beherbergt im Erdgeschoss einen gewölbtem Zugviehstall, zwei Pferdeställe, eine Schrotkammer und einen Holzschuppen. Darüber befinden sich fünf Kammern, der Schüttboden und das Strohdach. Des Weiteren gibt es eine Scheune mit Wagenschuppen sowie einen Streuschuppen. Ein vorhandenes Auszugshaus mit Stuben, Küche, Kammern, Boden und Strohdach wurde bald abgerissen. Füssel ließ dann später noch eine eigene Schmiede errichten.

Nach der Einführung der Landesgemeindeordnung im März 1839 unterstand Kleingießhübel nun dem Justizamt Pirna. Der Richter Füssel blieb zwar zunächst noch Ortsrichter, die Verwaltung aber ging auf gewählte Gemeindevertreter über. Ein von diesem Gemeinderat gewählter Gemieindevorstand (Vorsitzender) übernahm die Geschäftsführung und die Polizeigewalt.

1849 erwarb Eduard Peschke das Richtergut.
1853 wurde in Schandau ein Gerichtsamt gegründet, dem nun auch Kleingießhübel unterstellt wurde. So gab es in Kleingießhübel keinen Ortsrichter mehr. Peschke verkaufte die Grundstücke am großen Zschirnstein an den Staat und die Schenkgerechtigkeit an Gastwirt Behnisch, der 1878 in Kleingießhübel einen Gasthofsbetrieb eröffnete (Grundstück Nr. 10). Das Richtergut wurde aber weiterhin als „Erbgericht“ bezeichnet.
1883 wurde Schütz Gutsbesitzer. Ihm folgte 1886 Baumann.
1892 brannte das Seitengebäude des Guts nieder. Es wurde lediglich als Stallgebäude, ohne Wohnkammern, wieder errichtet. Baumann ließ dann in Nähe des Wohnhauses auch die Villa (Grundstück Nr. 1b) erbauen.
1907 kaufte Förster Alexander Stenzel den Hof. 1908 erhielt dieser im Ort die erste Telefonleitung. Infolge Erbteilung wurde 1910 das Villengrundstück vom Gut getrennt und der Sohn Curt Stenzel übernahm das Gut. Er ließ die alte Schmiede abbrechen und vergrößerte das seitliche Stallgebäude.
1914 verkaufte Stenzel das Gut an Sanitätsrat Schanz. Ihm folgte 1917 Artist Zöllner und diesem 1919 Baumeister Ernst Richter.

Das Villengrundstück blieb bis zum Tod Alexander Stenzels 1923 in dessen Besitz. Seine Erben verkauften es dann; 1926 wurde es Landschulheim und nach dem zweiten Weltkrieg Altenheim.
Baumeister Ernst Richter verkaufte 1926 das Gut an Wenner. Dieser ließ den im Wohnhaus befindlichen gewölbten Kuhstall in einen Saal umbauen und eine Hofmauer errichten. Unter Wenner kam das Gut 1933 zur Zwangsversteigerung. Es wurde von Oberlehrer Richard Paatz erworben. Als dieser 1939 starb, folgten ihm sein Sohn Herbert Paatz und sein Enkel Richard Paatz.

Tanja Zieske und Jan-Willem Christoffers sind seit Beginn des Jahres 2021 stolze Besitzer des Erblehngerichts Kleingießhübel. Das Haus wird seit Sommer 2024 vollständig saniert und die Arbeiten sollen voraussichtlich bis Ende 2025 abgeschlossen sein.